"Alunogen, Ammoniojarosit, Fuchsit-Var. Muskovit, Gips, Halotrichit, Hartit, Melanterit, Pyrit, Quarz, Salmiak, Schwefel, Vivianit".
Gleichermaßen lakonisch wie beschwörend listet Franz Dampfhofer die Flözbrandgesteine von Tregist auf, dort finden sich alle am Muttlkogel.
Dort, wo Jahrzehnte hindurch der gewaltige Schaufelradbagger und dessen kleinere Verwandten ihre landschaftsprägende Arbeit verrichtet haben.
"Muttl Kogel, vorher und nachher" liest man auf einer Collage von 2020. Rechts im Breitformat: der Chronist als Schatten über den
Abbrüchen. In der Mitte eine jener Frauenfiguren, welche in Dampfhofers Bildberichten immer wieder in ihrer schlichten Würde präsent sind.
In der Hand einen Sack, gefüllt vermutlich mit der mittels des geschulterten Werkzeugs aus dem kargen Boden geholten Ernte.
"Verwandlung einer Landschaft" ist auch eine Ernte. Die Ernte der Wanderungen Franz Dampfhofers durch die Landschaft, in der er
aufwuchs und den größten Teil seines Lebens zubrachte. Die Blätter dieser Mappe sind Dokumente einer Zeitreise, Belege für behutsame
Annäherungen und Durchdringungen einer gleichermaßen realen wie surrealen Welt. Oft in einer einzigen Komposition wird der Bogen über
Jahrzehnte geschlagen. Von 1977 bis 2020 etwa in einer dreiteiligen Bilderfolge, welche von einer Wanderung von "Tregist nach Oberdorf"
berichtet. Aus einem Gebiet, in dem "das Unterste zu Oberst gekehrt wird, Berg zu Tal und umgekehrt". Die Metamorphose eines Landstrichs
als kompakte Graphic Novel.
Auf seinen Wanderungen durch die vom Kohlebergbau wesentlich geformte Weststeiermark erweist sich Dampfhofer als genauer Spurenleser und als
Sammler von Eindrücken und Fundgegenständen, die vielschichtige Geschichten erzählen. Geschichten, die von der Außenwelt ebenso geformt sind wie
von der Innenwelt. Von Erinnerungen, Reflexionen, Visionen, Träumen. "1965 malte ich die Abraumhalde von Schaflos, die mir wie eine Kultstätte
aus dem Toltekenreich vorkam." Ein Foto auf dem Blatt mit diesem Text zeigt den Maler beim Malen. Gleich daneben stürzt das ÖDK-3-Kraftwerk
von Voitsberg fachmännisch gesprengt in sich zusammen.
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Dahinter (in einer der wirklichen Wirklichkeit nicht entsprechenden Perspektive) Schloss Greisenegg. Im mächtigen Gebäude hat Franz Dampfhofer mit
seiner Familie etliche Jahre gelebt. Darüber eine Luftaufnahme des Karlsschachts im Winter. "Die Umwelt wird ausgebeutet" liest man auf
einem anderen Blatt. Ein Satz, der für die meisten Panoramen zutrifft.
Der Umgang des Menschen mit der Natur zieht sich als Thema durch die Bilderfolge. Ein Thema, das Dampfhofer jedoch nicht plakativ eindimensional
anschaulich macht, sondern in seiner ganzen Komplexität. Auf der Passage durch die sich verwandelnde Landschaft sind das Schreckliche und das Schöne
untrennbar miteinander verbunden. Franz Dampfhofer ist nicht nur mit offenen Augen unterwegs, auch die Ohren nehmen war, was sich in "seiner"
Landschaft akustisch tut. Für den Gesang von Vögeln hat der Künstler eigene Partituren geschaffen, welche die Betrachterin, der Betrachter individuell
in Klang verwandeln. Ein vielstimmiger Gesang, der sich über den Plan der Grube Zangtal im nämlichen Blatt legt. Das Bild des bereits erwähnten
Schaufelradbaggers wird weniger erfreuliche Assoziationen auslösen, die Momentaufnahme einer Sprengung ebenfalls.
Immer wieder überlagern sich präzise Bestandsaufnahmen und poetische Transformationen zu jenen eigen-artigen und hochkomplexen Bildern, die Franz
Dampfhofers Werk seit jeher auszeichnen. Wer in diese Bilderwelt eintaucht, begibt sich auf eine Expetition in Landschaften, die gleichermaßen
bekannt wie fremd, ganz nahe sind und manchmal doch so fern wirken. Durch ihre Gleichzeitigkeit und das Nebeneinander
des scheinbar Unvereinbaren ermöglichen sie neue Blicke auf ein großes Ganzes.
Walter Titz, 2022
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